WORKSHOP: FOTOTECHNIK-FAQ

TiloGockel_BildThomasChristl (Foto: Thomas Christl)

Rechnen bis der Arzt kommt ….

Hallo zusammen, schön, dass Ihr hier bei Fotopraxis vorbeischaut! Heute wirds mal richtig nerdy. Rechnen, bis der Arzt kommt. Es geht um die häufigsten, wiederkehrenden Technikfragen an Fotopraxis.net. Viel Spaß! 🙂


Fototechnik-FAQ

F: Mein Belichtungsmesser zeigt mir als Blendenwert an: 8.0 + 7/10. Wie ist das zu interpretieren? Kann ich das ganz einfach als eine Blendenzahl k = 8,7 interpretieren?


A: Nein, denn dann wäre Blende f/8,0 + 10/10 gleich der Blende f/9,0, und wir wissen ja, dass der nächste volle Schritt in dieser Reihe 11 ist. Die Wertereihe lautet (√2)0 =1; (√2)1 =1,4; (√2)2 =2 … (√2)6 =8 … , womit sich für den gesuchten Wert ergibt: √(2(8+0,7)).

Man braucht aber die Rechnung de facto selten bis gar nicht, da man fast immer in Clicks denkt und einstellt – volle Clicks, Drittel-Clicks, Zehntel-Clicks. Und da die Skala dieser „Clicks“ auch logarithmisch ist, muss man in der Praxis weder rechnen, noch nachdenken.


F: Ich verwende keine Vollformat- sondern eine Cropkamera mit Cropfaktor 1,6. Meine Pixel sind entsprechend kleiner. Muss ich nun den Cropfaktor in den Lichtwert einbeziehen? Schließlich sammeln meine kleineren Pixel weniger Ladungen und generieren somit eine kleinere Spannung.


A: Nein. Der Verstärker am Ausgang des Sensors in der Kamera gleicht das aus. Einziger Effekt hierbei: Bei kleineren Pixeln, damit weniger Ladungen und damit schwächerem Nutzsignal enthalten die Bilddaten mehr Rauschen.


F: Gibt es eine einfache Formel, mit der man die Schärfentiefe zwischen Vollformat und Cropformat vergleichen kann (z.B. APS-C, mit Crop-Faktor 1,6)? In der Form: „50 f/1.8, offenblendig, am Cropformat hat bei gleichem Bildausschnitt eine Schärfentiefe wie xx f/x.x im Vergleich zum Vollformat?“

A: Bei unterschiedlich großen Sensoren erzielt man die gleiche Schärfentiefe, wenn sich die Blendenzahlen wie die Formatdiagonalen verhalten (bei gleicher Objektfeldgröße). Genauso wie man bei Einführung der Cropformate (DX, APS-C, APS-H, 4/3 usw.) begonnen hat, von einer „gefühlten“ Brennweite zu sprechen (dem Kleinbildäquivalent), so kann man damit auch von einer „gefühlten“ Blende sprechen:

kgefühlt = k · ccrop

Hierin ist ccrop der Crop- oder Formatfaktor, bspw. bei APS-C ist er 1,6.

Ein Beispiel: Ein 50 mm f/1.8, offenblendig, wirkt im Vergleich zu Vollformat bei gleichem Bildausschnitt hinsichtlich der Schärfentiefe an APS-C so, als hätte es Blende f(1,6 · 1,8) = f/2,8. Hinsichtlich der Brennweite wiederum wirkt, bei unverändertem Standpunkt, aber verändertem Bildausschnitt, das 50er an Crop wie ein 80er am Vollformat.


F: Gibt es auch solch einen Formel, um bei (>Brenizer-)Panoramen einen Vergleichswert für ein äquivalentes Objektiv errechnen zu können? In der Form von: Wenn mein Brenizer-Pano die dreifache Kantenlänge hat als ein Einzelbild, dann wirkt das Bild (aufgenommen mit 50 mm f/1.4) wie eine Aufnahme mit einem xx mm f/xx?


A: Ja. Siehe oben. Man muss sich nun nur vorstellen, dass durch die Anwendung des Panoramaverfahrens scheinbar der Sensor größer wird. Wenn man nun ein Panorama aufnimmt, das 2x die Breite und 2x die Höhe des Einzelbildes hat, so ist damit ccrop = 0,5. Damit ist die Blende

kneu = f/1,4 · ccrop = f/0,7.

Für die „gefühlte“ Brennweite des „neuen Objektivs“ gilt: fneu = f · ccrop. Im Beispiel:

fneu = 50 mm · 0,5 = 25 mm.

Vergleiche auch >Brett Maxwells Rechner hierzu.


F: Im Web habe ich gelesen, dass die Schärfentiefe nur von der Blendenzahl und dem Abbildungsmaßstab abhängt. Stimmt das?


A: Ja und nein. Wenn man die relevanten Wikipedia-Artikel liest, dann scheint klar zu sein, dass die Schärfentiefe nur von der Blendenzahl k sowie dem Abbildungsmaßstab beta abhängt (mit beta = f/(g – f), oder, wenn g >> f, beta = f/g; hierin: f: Brennweite, g: Gegenstandsweite). Das führt zu folgender Annahme: Wenn man eine Optik mit längerer Brennweite nutzt, und dann zurücktritt, um wieder die gleiche Bildgröße zu erhalten, dann ist auch die Schärfentiefe dieselbe. Wenn man eine längere Brennweite nutzt ohne die Gegenstandsweite zu ändern, so wird die Schärfentiefe geringer, aber das Motiv erscheint nun auch größer im Bild.

Man erkennt aber in der Fotografie rasch, dass offensichtlich auch die Brennweite eine Rolle spielt – lange Brennweiten erzeugen weichere Hintergründe. Hier kommt nun die Erklärung (Quelle: Dr. Hubert Nasse / Carl Zeiss AG): „Zerstreuungskreis-Durchmesser hängen nur dort lediglich von Blende und Maßstab ab, wo sie noch klein sind, wo sie also Durchmesser haben, die wir üblicherweise als erlaubte Unschärfe zulassen. Für die Zerstreuungskreise größeren Durchmessers, also deutlich im Bereich der Unschärfe, gelten die einfachen Näherungen nicht mehr. Dort geht immer auch die Brennweite ein und sorgt dafür, dass Bilder von längeren Brennweiten auch bei gleicher Darstellung des Hauptmotivs im Hintergrund anders aussehen.“

Grafisch dargestellt findet man den Zusammenhang in folgendem Artikel von Herrn Dr. Nasse: http://www.zeiss.com/content/dam/Photography/new/pdf/en/cln_archiv/cln35_en_web.pdf

Veranschaulichen kann man sich den Zusammenhang durch die Perspektive: Die Perspektivänderung, die der Einsatz einer längeren Brennweite mit der damit verbundenen Abstandsänderung (auf weiteren Abstand, …größeres g) bewirkt, lässt den unscharfen Hintergrund größer und damit unschärfer erscheinen. Auch die Zerstreuungskreise werden größer.


F: Man kennt die weite und verzerrte Perspektive der Weitwinkellinsen und die zusammengeschobene Perspektive der Teles – nun behauptet ein Freund, dass die Perspektive gar nichts mit der Objektivwahl zu tun hat, sondern nur mit dem Standort. Stimmt das?


A: Ja, das stimmt. Damit kann man bspw. auch mit einem Smartphone mit 30 mm Brennweite (bezogen auf Vollformat) eine „Teleperspektive“ erzielen. Man muss nur auf Abstand gehen und später zuschneiden:

Links: Nah am Motiv (Weitwinkelperspektive), rechts: weit entfernt (Teleperspektive?).

03 02

Gleiche Bilder, rechts nun zugeschnitten.

03 04

Aber auch die erste Aussage stimmt. Sie rührt daher, dass man normalerweise eben nicht zuschneidet, sondern mit WW-Linsen nah ran geht ans Motiv, mit Telelinsen aber eher auf Abstand. Es ist also nicht falsch, von einer Teleperspektive und einer Weitwinkelperspektive zu sprechen.


F: Mein Blitz beherrscht den sogenannten HSS/FP-Sync-Modus, aber mir verschließt sich, wann das sinnvoll ist. Meine Beobachtung ist, dass bei sehr kurzen Belichtungszeiten (um 1/2000 oder 1/4000 Sekunde) kaum mehr Licht am Motiv ankommt.


A: Das stimmt. Wenn man zum HSS-Betrieb übergeht, funktioniert der Blitz quasi als Dauerlicht, und man muss entsprechend damit auch rechnen wie mit Dauerlicht. Bei 1/500 Sekunde kommt nur noch das halbe Licht am Sensor an, verglichen mit 1/250. Bei 1/1000 nur noch ein Viertel usw. Durch die starken Einbußen taugt HSS eher als dezentes Aufhelllicht, weniger als starkes Hauptlicht (Ausweg: >Gang Light).


F: Häufig taucht in der Fotografie eine Verdopplung und Halbierung von Werten auf, entsprechend auch oft die 2er-Potenz oder der 2er-Logarithmus. Woher kommt das?


A: Basis hierfür ist das >Weber-Fechner-Gesetz, das beschreibt, ab welchem Betrag der Intensitätsänderung eines physischen Reizes die menschlichen Sinne eine Veränderung registrieren. Das Gesetz sagt aus, dass bei einem exponenziellen Anstieg der Reizintensität das Empfindung im Sinnesorgan nur linear anwächst:

E = c · ln(R/R0)

Hierin E: Empfindlichkeitsfunktion, R0: Schwellenwert, R: Reizänderung, c: Konstante, je nach Art des Reizes. Die Gleichung lässt sich leicht auf den 2er-Logarithmus umformen:

E = [c · 1/log2e ] · log2 R/R0 , bzw.

E = cneu · log2 R/ R0

In einer arithmetischen Reihe sind die Elemente durch einen additiven Betrag abgestuft, in einer geometrischen Reihe durch einen Faktor. Abstufungen, die sich um den gleichen Faktor (bspw. 2) unterscheiden, werden vom Menschen als gleichmäßig abgestuft empfunden. Daher kommt nun der Zusammenhang zwischen Lichtwert EV und Beleuchtungsstärke Ev:

Ev = 2,5 · 2EV

Nur dank dieser logarithmischen Kennlinie kann unser Sehsinn den sehr großen Leuchtdichteumfang von Dämmerung bis Sonnenlicht wahrnehmen (das sind rund 10 Zehnerpotenzen, genauer rund 10−5 bis 106 cd/m²). Genauso funktioniert übrigens auch die Hörwahrnehmung, und daher wurde hierfür das (Dezi)bel eingeführt.


F: Mal ist beim Belichtungsmesser oder bei den Lichtwerten von Leuchtdichte, mal von Beleuchtungsstärke die Rede. Was stimmt?


A: Es stimmt beides. Wenn man von Beleuchtungsstärke Ev (E Index v) ausgeht, so meint man die Stärke der Beleuchtung, die das Motiv empfängt. Die zugehörige Messvorschrift für den Belichtungsmesser lautet Lichtmessung. Der Zusammenhang mit dem Lichtwert (Exposure Value) EV ist:

Ev = 2,5 · 2EV

Wenn man von der Leuchtdichte L ausgeht, so meint man die „Leuchtdichte“, die das Objekt aufweist, um einen bestimmten Lichtstrom in die Kamera zu remittieren. Die zugehörige Messvorschrift für den Belichtungsmesser ist die Objektmessung. Der Zusammenhang mit dem Lichtwert (Exposure Value) EV ist:

L = 2(EV – 3)


So, das wars erstmal mit den häufigsten Fragen, ich hoffe auch, dass damit alle Klarheiten komplett beseitigt sind. 🙂 Wenn Ihr nochwas auf dem Herzen habt, fragt einfach in den Comments nach.


BROWSER-STRANDGUT

+++ Profoto +++ Plug-ins +++ Gosee +++ Plugins +++ Apfeltörtchen +++ Youtube +++

  • Jimmy Mac, How to add light trails. Lohnenswertes Tutorial:
  • Alex Heinrichs erzählt, wieso er einen Belichtungsmesser einsetzt. Meinen Segen hat er! 🙂

Tilo ~gallo~ Gockel, 07.05.2015

3 thoughts on “WORKSHOP: FOTOTECHNIK-FAQ

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  1. Hallo Thilo,
    klasse Beitrag.
    Eine Frage habe dazu.
    Dein Beispiel:
    Beispiel: Bei gleichem Bildinhalt wirkt ein offenblendiges 50er, auf f/1,8 am Vollformat wie ein 80er auf f/(1,6 · 1,8) = 80 f/2,8 an APS-C

    Ist es nicht andersrum? Ein 50mm 1,8 an APS-C zeigt das gleiche wie ein 80er/2.8 an Vollformat ?

    Gruß Mike

  2. uups, richtig, sorry, danke Mike! Ist korrigiert!

    Ein 50 mm f/1.8, offenblendig, wirkt im Vergleich zu Vollformat bei gleichem Bildausschnitt hinsichtlich der Schärfentiefe an APS-C so, als hätte es Blende f(1,6 · 1,8) = f/2,8. Hinsichtlich der Brennweite wiederum wirkt es, bei gleichem Standpunkt (aber verändertem Bildausschnitt), das 50er an Crop wie ein 80er am Vollformat.

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