Hallo miteinander, heute kommt mal ein etwas technischer Workshop, ganz ohne Fashion, Models, Bokeh, Blitze … zum Thema Focus Stacking. Es soll hier um die Frage gehen, was ist besser, Fokus-Variation oder Makroschlitten? Danach wie immer Browser-Strandgut, viel Vergnügen!
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WORKSHOP: FOCUS STACKING
Ich benutze Stacking häufig und verwende fast immer für die Aufnahmereihe die Fokusvariation. Bisher mit schlechtem Gewissen, weil ich dachte, ein Fokusschlitten wäre die bessere, weil sauberere Wahl. Jetzt wurde das Thema auf dem letzten Workshop einmal wieder diskutiert und ich habe nun hier im stillen Kämmerchen einfach mal ein paar erschöpfende Tests gemacht. So viel kann ich vorwegnehmen: Allermeistens ist es besser, die Position der Kamera nicht zu verändern. Vieles spricht also für eine schlichte Fokusvariation.
Aber jetzt im Detail:
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DIE SZENE
Meine etwas gemeine Testszene war ein Schachbrett, welches gerade bei einem Blickwinkel durch die Stellung hindurch viele Verdeckungen usw. bietet. Spannend, finde ich.
Die Ausdehnung der Szene habe ich für alle Tests bis auf den letzten so gewählt, dass der Bereich vom vorderen weißen Bauer bis zum hinteren weißen Bauer scharf sein sollte. Das ist auch recht genau der Bereich, den meine >Makroschiene abdeckt.
Im letzten Test habe ich dann auch einmal die komplette Szene mit allen Figuren gescannt. Zum Einsatz kam eine EOS 5d2 auf einem Stativ mit Makro-Linse EF 50 f/2.5 und mit der besagten preiswerten >Makroschiene von Amazon. Verarbeitet habe ich die Bilder mit Photoshop CC 2014.
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ERGEBNIS MIT MAKROSCHIENE
Tcha, haltet Euch fest. Der erste Test mit Makroschiene ergab folgendes Ergebnis (alle nun folgenden Fotos sind straight-out-of-camera):
Nicht so schön, obwohl … Jedenfalls aber nicht im Sinne des Erfinders! Schade eigentlich, den eine Sache leistet die Makroschiene wunderbar: Sie schafft eine “telezentrische” Perspektive, bei der tiefengestaffelte Objekte gleicher Größe auch im Foto gleichgroß sind.
Damit bekommt auch das Stitching-Programm die Nahtstellen zwischen den scharfen Bereichen gleichgroß präsentiert. Ich habe das einmal hier explizit zusammengesetzt: Im Bild seht Ihr grün den hintersten weißen Bauer aus dem letzten Bild ins erste eingefügt. Er ist offensichtlich gleich groß!
Eine genauere Untersuchung zeigt aber rasch, wo der Hund im Pfeffer liegt. Hier seht Ihr die erste und die letzte Aufnahme im Stack. Man erkennt: Die Abstandsvariation per Schiene und der damit verbundene Wechsel der Kameraposition verändert die Perspektive in einem so hohen Maß, dass auch das beste Programm damit nicht mehr umgehen kann. Die Verdeckungen verändern sich, alles verändert sich:
Ein bisschen was geht aber dennoch. Für den zweiten Stacking-Test habe ich Photoshop zuerst einmal die Bilder ausrichten lassen. Man sieht an den Ebenenminiaturen den kläglichen Versuch von Photoshop, eine allgemeingültige Perspektive zu rekonstruieren (Mausklick vergrößert):
Das Ergebnis des anschließenden Stackings ist besser, aber auch nicht so wirklich gut:
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ERGEBNIS BEI VARIATION DES FOKUS
Im nächsten Schritt habe ich die Position der Kamera unverändert belassen und nur den Fokus der Linse variiert.
Das kann ich schon eher sehen lassen, und hat mich angespornt, auch mal mit knapp 40 Aufnahmen die komplette Szene mit allen Figuren zu wagen:
Nicht perfekt, aber auch, wie gesagt, straight out of cam! Damit kann man arbeiten, denke ich. Dieses Bild könnte man in 20 Minuten reparieren, und hätte dann ein gutes Ergebnis!
Folgendes bleibt festzuhalten:
- Die Makroschiene taugt prima für Insekten usw., wenn man eh mit Makro-Tele-Linsen um 100..150 mm shootet. Für größere Objekte, für komplexe Szenen mit Abschattungen und kürzere Brennweiten taugt der Ansatz kaum. Hier wird allein schon die Kürze der Schiene zum großen Nachteil – die erlaubte Tiefenausdehnung der Szenen wird durch die Schiene begrenzt.Generell wird es für den Stacking-Algo schwierig, wenn sich die Position der Kamera ändert. Man stelle sich eine Autofahrt (der Kamera) durch eine Häuserschlucht vor. Die andauernde Änderung der Perspektive zeigt hier ganz andere Ansichten der Szene, auch mit veränderten Verdeckungen.
- Weiterhin kann auch die Änderung der Perspektive den stimmigen Eindruck stören, wenn man Focus Stacking per Abstandsvariation betreibt. Damit erhält man im gestackten Bildbereich eine telezentrische Perspektive, wohingegen außerhalb die klassische >entozentrische Perspektive vorherrscht. Soll heißen: die zwei weißen Bauern sind gleich groß, aber der unscharfe schwarze Bauer im Vordergrund ist größer!
- Vorteile bietet das Verfahren wiederum bei der Automatisierung: Es ist einfacher, die Kamera auf einem Schlitten präzis zu verfahren, als ebenso präzise den Fokus zu verändern (siehe Browser-Strandgut, unten).
- Die Fokusvariation scheint das Mittel der Wahl für den alltäglichen Umgang mit Focus Stacking zu sein. Der kleine Nachteil der veränderten Vergrößerung (die grüne Schachfigur wird hier kleiner, die Anschlussstellen beim Stitching sind unterschiedlich groß) stört die Verfahren kaum und steht dem großen Vorteil der einheitlichen Perspektive gegenüber.
Ich verwende das Verfahren mit Fokusvariation häufig und auch manchmal freihand. Auch das wäre mit Abstandsvariation kaum oder zumindest schwerer möglich – aber die Kamera einfach möglichst unverändert lassen und mit dem Finger unterschiedliche AF-Sensoren wählen für den Stack funktioniert nach meiner Erfahrung erstaunlich gut! Man muss dann nur noch in Photoshop im Anschluss die Bilder ausrichten lassen. Für das Radio habe ich fünf Bilder aus der Hand aufgenommen, mit der Kamera am Auge, und nur mit dem Zeigefinger die Fokussensoren gewechselt (die Spiegelung ist synthetisch).
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GALERIE
In der Galerie findet Ihr nochmals alle Bilder sozusagen als “kommentiertes Daumenkino für Leute mit wenig Zeit” zusammengestellt.

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BROWSER-STRANDGUT
Heute wurden am Strand nur Links angeschwemmt, die mit Focus Stacking zu tun haben. Viel Spaß! 🙂
- Das Team um die Software ZereneStacker hat auch einmal Stacking per Fokusveränderung (Ring) dem Stacking per Makroschiene (Rail) gegenübergestellt. Hochinteressant:
http://zerenesystems.com/cms/stacker/docs/troubleshooting/ringversusrail
- Wer sich intensiv mit Stacking beschäftigt, der wird sich irgendwann wohl auch eine Lizenz zu Helicon Focus zulegen:
http://www.heliconfocus.de/helicon-focus-pro
- Und wer sich noch intensiver damit beschäftig und viel im Makrobereich fotografiert, dem nimmt die motorgetriebene „Stackshot“-Schiene die Arbeit ab:
http://www.cognisys-inc.com/products/stackshot/stackshot.php
- Gulbins und Gulbins haben hier einmal im Buch Multishot-Techniken, die Techniken rund um HDR, Stacking und Superresolution genauer beleuchtet:
http://www.dpunkt.de/buecher/2891/multishot-techniken-in-der-digitalen-fotografie.html
- Und hier nun noch was zum schwärmen: die coolsten Makros überhaupt, von John Hallmen. Immer wenn ich denke, „wow, was für Details“, gehts bei John noch eine Zoomstufe weiter … Krass (tut Euch >sowas hier mal rein, wow!):
https://www.flickr.com/photos/johnhallmen/
- Und hier mal noch von John ein Focus Stack als Film durchgekurbelt:
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Tilo ~gallo~ Gockel, http://www.fotopraxis.net, 2/2015
Hier der Tipp zu einer weiteren Seite mit außergewöhnlichen Makroaufnahmen
http://pen3.de/
Jede Menge Stacks und echt starke Bilder. Meiner Meinsung sehenswert.
coole Sache Peter, merci!