Einführung
Wie entstehen eigentlich diese Highspeedaufnahmen von durchschossenen Eiern, von Milchtropfen, von Erdbeeren, die in Sahne fallen oder auch von startenden Insekten? Da gibt es genau zwei Möglichkeiten: entweder man hat sehr, sehr viel Geduld oder man hat eine Lichtschranke. Zum ersten Fall gab es an dieser Stelle bereits einen Workshop mit dem Titel „Wassertropfen“. Im vorliegenden Workshop wird die Lichtschrankenvariante behandelt.
Eine Lichtschranke könnte man grundsätzlich auch selbst basteln, oder auch einen Bausatz bzw. ein Modul verwenden, aber nach meiner pers. Erfahrung treten dann doch rasch die ersten Probleme auf. So ist zum einen die Auslegung der Optik nicht einfach (die unten verwendete Jokie-Lichtschranke besitzt zwei Linsenelemente), zum anderen ist auch die Ansteuerung der Kamera bzw. des Blitzes u. U. nicht ganz trivial. Wer es doch wagen will, der findet unter [4] einige Schaltpläne und unter [5] ein Beispiel, wie man die Kamera ansteuert (dort: mit einem Open-Drain-Ausgang). Schlüsselfertige und genau auf die Belange von Fotografen zugeschnittene Lichtschranken gibt es von den Herstellern Eltima [1, 2] und Cognisys [3]. Hier werden wir das preiswerteste Produkt aus diesem Spektrum verwenden: die kleine Jokie-Reflexlichtschranke.
Die Jokie-Reflexlichtschranke
Bei der kleinen und preiswerten Jokie-Lichtschranke von der Firma Eltima Electronic handelt es sich um eine Reflexlichtschranke. Dies bedeutet, dass es nur ein aktives Teil gibt, auf der „Sender“-Seite steht statt einer aktiven Lichtquelle ein sog. Retroreflektor, also ein Katzenauge, wie man es vom Fahrrad her kennt. In der Jokie selbst sind entsprechend Sender und Empfänger vereint und schauen durch Linsen in die gleiche Richtung. Dies hat den großen Vorteil, dass man nur für ein Teil eine Stromversorgung bereitstellen muss.
Die Jokie wird in einem kleinen Kistchen geliefert, welches zusätzlich noch enthält: Einen Batteriehalter für vier Stück AA-Batterien oder Akkus und zwei Reflektoren mit 20 und 40 mm Durchmesser. Die Bedienungsanleitung ist online unter [1] erhältlich, das System kostet überschaubare 140 Euro inkl. Mwst. Sowohl die Jokie selbst als auch die Reflektoren tragen 1/4’’-Gewinde und können entsprechend einfach auf Fotostative geschraubt werden.
Abbildung 1: Das Jokie-System.
Was nun zum ersten Einsatz noch fehlt, sind vier Batterien und ein zur Kamera (oder auch zum Blitz, siehe unten) passendes Kabel. Für Canon ist dies ein Kabel mit zwei Stereo-Klinkensteckern, 2x männlich, beide 2,5 mm. Solch ein Kabel gibt es auch bei der Firma Eltima, es ist aber billiger bspw. von ELV (über Amazon) zu beziehen, [6]. Für den Anschluss von Kameras von Pentax, Nikon oder Sony gibt der Hersteller Hilfestellung: mail@eltima-electronic.de.
Die Inbetriebnahme ist denkbar einfach. Die Lichtschranke wird auf den Reflektor ausgerichtet (das Lichtchen muss erlöschen) und die Kamera wird angeschlossen, fertig! Für das erste Splash-Foto fehlt aber noch etwas: es müssen noch Blitz-Setup eingerichtet und Fallhöhe bestimmt werden.
Vorbereitung
Das Blitz-Setup besteht im vorliegenden Fall aus zwei preiswerten Yongnuo YN-460 Speedlights, ausgerüstet mit Yongnuo-RF-Triggern (vgl. Setup-Foto). Die Blitze kann man noch mit Lichtformern wie Snoots und Grids ausstatten oder auch für den Anfang einfach gegen einen hellen Hintergrund, bspw. ein Stück Styropor richten. Dann wird die Latenz des Systems gemessen: Zollstock in das Bild, Radiergummi fallen lassen, Fallhöhe aufschreiben. Die Latenz in Zentimetern beträgt beim vorliegenden System 42 cm (in Sekunden: ca. 30 ms). Schneller wird es mit eingeschalteter Spiegelvorauslösung, damit beträgt die Latenz rund 35 cm.
Mit diesem Wissen kann man nun endlich ein Glas Wasser ins Blickfeld stellen (und die Stelle für später markieren) und darauf fokussieren (manueller Fokus im eingezoomten Liveview-Modus). Die Blitzleistung stellt man auf einen Wert nahe des Minimums, da der Blitz dann schneller ist. Dann ein paar Testschüsse, beginnend mit Blende 8 und 1/125tel Sekunde und ISO 200. Dann kann man endlich einmal etwas ins Wasser fallen lassen.
Abbildung 2: Setup.
In unserem Aufbau betrugt der Abstand zwischen Jokie und Reflektor 70 cm, verwendet wurde der kleine Reflektor (!, das ist wichtig, für Erdbeeren, Korken usw. funktioniert nur der kleine Reflektor, jener mit 4 cm Durchmesser). Als Objektiv kam das Tamron 18-270 zum Einsatz. Mit diesem ist es in Tele-Stellung möglich, einen großen Abstand zu wahren und somit die Kamera vor Spritzern zu schützen.
Feinheiten
Bei größeren und teureren Lichtschranken-Systemen ist auch eine Verzögerung einstellbar, bei der Jokie ist das leider nicht möglich (die systeminterne Latenz beträgt 0,13 ms). Wenn man nun einen anderen Aufbau oder ein anderes Timing benötigt, so muss man die Abstände verändern oder auch die Spiegelvorauslösung ausschalten. Wahrscheinlicher ist aber, dass man sich eher geringere Latenzen wünscht. Gerade bspw. Besitzer von Olympus-Kameras mit unzuverlässigen rund 300 ms Auslöseverzögerung können mit der vorgeschlagenen Lösung wenig anfangen.
Es gibt aber auch hierfür eine Möglichkeit: Der Raum wird komplett verdunkelt, die Kamera in den Bulb-Modus geschaltet, der Verschluss geöffnet und dann der Blitz getriggert! Die Jokie kann auch Systemblitze zünden, weitere Blitze im Setup können dann per Fotozelle im Slave-Modus ausgelöst werden. Natürlich kann hierbei die Fallhöhe nicht mehr so hoch sein. (*)
Ergebnisse und Ausblick
Der Umgang mit dem System macht wirklich viel Spaß, die Ergebnisse sprechen für sich, sind mit wenig Aufwand möglich und auch gut reproduzierbar (Abbildungen 3 und 4).
Abbildung 3: Das erste Erfolgserlebnis, Limonenschnitz in Wasser.
Abbildung 4: Kiwischeibe in Sahne.
Abbildung 5: Chilis in Olivenöl.
Wer nun Blut geleckt hat, der sei auf die Quellen [7] und [8] verwiesen: Harnischmacher [7] schafft es sogar, ein Ei zu durchschießen, und auch die Fotografen unter [8] bieten noch wesentlich schönere Ergebnisse, als die hier gezeigten.
(*) Ergänzung (6. Mai 2010): Es geht auch ohne Abdunklung, unter Verwendung eines ultraschnellen Zentralverschlusses. Ein Beispielsystem stellt Hans-Christian Steeg in nachfolgendem Artikel vor; es dient ihm zur Fotografie von startenden Insekten: http://www.fotomagazin.de/praxis/selbermachen/detail.php?objectID=3483&class=25&thema=94
Quellen
- Firma Eltima Elektronik, Hersteller der Jokie-Lichtschranke, Produktspektrum, Preisliste und Handbücher:
http://www.eltima-electronic.de/jokie.html
http://www.eltima-electronic.de/preisliste.pdf
http://www.eltima-electronic.de/bedienungsanleitung_jokie.pdf - Drei Artikel zur Jokie-Lichtschranke mit Anwendungsbeispielen:
http://www.eltima-electronic.de/presse.html - Firma Cognisys in den USA: Hersteller der Stop-Shot-Lichtschranken bzw. Akustiktrigger:
http://www.cognisys-inc.com/home_cogn.php - Loren M. Winters: High-speed Flash Photography for Amateur Photographers. Bauanleitungen und Schaltpläne für Lichtschranken und Akustiktrigger:
http://courses.ncssm.edu/hsi/pacsci/fpaper.html - ELV, Artikel zum Produkt Kamera-Funk-Fernbedienung, bes. interessant hierbei: die Open-Drain-Endstufe zur Kameraansteuerung:
http://www.elv-downloads.de/Assets/Produkte/8/850/85036/Downloads/FS20FA_KM_G_090507.pdf - Amazon/ ELV – preiswerte Bezugsquelle für Canon-Triggerkabel: 2x 2,5mm-Miniklinke stereo, männlich/männlich:
http://www.amazon.de/gp/product/B00006IVDB/ref=ox_ya_oh_product - Cyrill Harnischmacher (Hrsg.): Die wilde Seite der Fotografie, dpunkt-Verlag, 2009. Ein Probekapitel, das auch gerade die Lichtschrankentechnik erklärt, ist frei online erhältlich:
http://www.dpunkt.de/leseproben/3227/Lichtschranken.pdf - Flickr-Blogs und -Gruppen für Highspeed-Fotografie
http://www.flickr.com/photos/david_kittos/4118512760/
http://www.flickr.com/groups/macro_liquid/
http://www.flickr.com/groups/stoppingtime/
http://www.flickr.com/groups/highspeed/
http://www.flickr.com/groups/waterdrops/
http://www.flickr.com/groups/splish_splash_drips_n_drops/
http://www.flickr.com/groups/37005766@N00/pool/
Hallo,
ich versuche mittels der Jokie Speedy und der Sony A55 solche Aufnahmen bislang erfolglos.
Wenn ich den Raum verdunkel und die Blitze antrigger, dann geschieht die Blitzauslösung derart schnell, dass der IR-Strahl praktisch direkt knapp über der Flüssigkeitsoberfläche sein muß. Und auch dort befindet sich die fallende Erdbeere immer noch im freien Fall. Selbst wenn sie in die Flüssigkeit eintaucht, bewirkt die hochspritzende Flüssigkeit Doppelauslösungen meiner beiden Yongnuo YN-460 II Blitze.
Ich bräuchte eigentlich eine etwas höhere Latenzzeit. Habe bislang bei Conrad gesucht, aber nichts passendes gefunden.
Gruß
Andreas
Hallo zusammen,
inzwischen gibt es anstelle des kompletten Abdunkelns des Raumes und fotografieren mit „B“ ja die geniale Möglichkeit des High speed-Blitzens, z.B. mit dem Yongnuo YN568EX II.
Über Blende und Verschlusszeit (beim HS-Blitzen weit kürzer als die eigentliche Synchronzeit möglich), wird normal beleuchtete Umgebung komplett unterbelichtet und die Ausleuchtung des eigentlichen Objektes über die Blitzleistung, passend zur Blende, geregelt.
Hi Andreas: mittlerweile hat eltima eine neue Jokie (Jokie II) im Programm, mit einstellbarer Latenz …
Hi Klaus,
merci fürs Feedback. Hmmm, ich glaube aber, der vorgeschlagene Weg über HSS ist nicht optimal …
Also HSS taugt schonmal generell nicht gut für sehr schnelle Vorgänge, da trügt das Wort „High-Speed ..“:
https://fotopraxis.net/2013/10/18/hss-highspeed/
Und weiterhin, wenn man das Umgebungslicht maximal unterbelichten möchte, dann stellt man immer am besten die Kamera auf die Synczeit… — dann hat man das extremste Verhältnis zwischen Blitzlicht und Umgebungslicht.
Wenn Du auf HSS gehst, verlierst Du rund zwei Blenden.
https://fotopraxis.net/2013/09/07/news-light-primer/
Aber es könnte auch sein, dass ich Deinen Ansatz noch nicht so ganz verstanden habe …
VG Tilo
Hi Tilo,
Mist, Du hast natürlich Recht! Der Blitz wird ja beim HSS schlicht auf die Laufzeit der Vorhänge gedehnt. Der Effekt ist also eher umgekehrt als der Name erwarten lässt.
Ich hab den Yongnuo erst vor kurzem gekauft und mal mit der 8000stel Sekunde kurz getestet. Allerdings nur mit einen statischen Moitv. Da funktoniert’s prima 😀
Danke für Deinen Hinweis! Ich wäre wahrscheinlich irgendwann in längerem Grübeln erstarrt.
VG Klaus