Part II – Optik und Equipment
Objektive
Eigentlich taugt fast jede Linse und jede Kamera für die Food-Fotografie. In den letzten Jahren hat aber der Trend hin zu Close-Ups mit sehr geringer Schärfentiefe zugenommen (früher war der Fotograf weiter weg, und der Winkel mehr von oben), und dies funktioniert am besten mit größeren Kamerasensoren! David Loftus – der Fotograf von Jamie Oliver – macht es vor: er verwendet eine Hasselblad mit einem Sensor, der mit 33 mm x 44 mm fast die doppelte Fläche hat, wie Kleinbild. Hiermit gelingen ungewöhnlich ästhetische Bilder mit einer Schärfentiefe von nur wenigen Millimetern (http://www.davidloftus.com). Gute Ergebnisse erzielt man aber auch mit einer APS-C-Kamera und dem oft mitgelieferten 18-55-Kit-Objektiv: Hierzu stellt man es möglichst auf Tele (55 mm, Kleinbildäquivalent rund 90 mm), öffnet die Blende so weit wie möglich und geht möglichst nah ran an das Objekt.
Bild 8: Thainudelsalat. Auffällig ist die besonders geringe Schärfentiefe. Die schönen Bokeh-Unschärfekreise werden durch eine Taschenlampe in dem Mosaikgläschen erzeugt. Ansonsten ist die Aufnahme unter Tageslicht entstanden (vgl. Bild 13 – dort wird der Aufbau gezeigt).
Ein schöneres Bokeh produzieren Festbrennweiten, gute Werte für Food liegen für APS-C-Sensoren im Bereich 50 ..120 mm. Canon bspw. bietet für Kleinbild- und für APS-C-Kameras 50-mm-Objektive in den Lichtstärken f/1.8 (100 Euro), f/1.4 (400 Euro) und f/1.2 (ca. 1.600 Euro) an. Bereits das preiswerte eignet sich gut für Food und kann auch, gerade an einer APS-C-Kamera durch die gefühlte Brennweite von 80 mm gut für Portraits eingesetzt werden.
Bild 9: Zwetschgenkuchen. Das (Tages-)Licht kommt dieses Mal fast frontal von vorne. Gegenlicht ließe die Früchte dunkel erscheinen, statt glänzend.
Manche Fotografen setzen für Food auch gerne Makroobjektive ein, bspw. um die 50..100 mm (http://www.deliciousdays.com , dort auch am APS-C-Format). Zu weiteren Details zu Schärfentiefe vgl. den Workshop „Geringe Schärfentiefe mit Kompaktkameras“, den Workshop „Bokeh“ und das Buch von Schröder „Technische Optik“.
Die Versuchung liegt nahe, die lichtstarken Objektive auch wirklich mit Offenblende zu verwenden, und das kann auch tatsächlich schöne Ergebnisse produzieren (http://www.flickr.com/photos/mila0506/ , Mila verwendet ein Canon EF 50 mm f/1.2). Es ist aber zu bedenken, dass selbst hochwertige Objektive bei Offenblende auch im Schärfebereich leicht unscharf sind. Auf der sicheren Seite ist man, wenn man auf f/2.5 oder f/2.8 abblendet bzw. hierzu auch einmal eine Blendenreihe aufnimmt.
Wie bereits angesprochen, so leben moderne Food-Fotos oft vom Bokeh, bzw. von der Qualität des Unschärfeverlaufes. Hierzu zählen auch die begehrten möglichst kreisrunden Unschärfescheibchen im Hintergrund. Schönes Bokeh ist zum einen natürlich von der Linse abhängig (Art der Lamellen der Blende, Aufbau der Optik), zum anderen aber auch von der Struktur des Hintergrundes. Nur wenn sich im Hintergrund kleine Licht’chen zeigen, bspw. Reflexionen in Gläsern, nur dann entstehen auch die begehrten Bokeh-Kreise. Hierfür kann man einige Gläser oder Bestecke im Hintergrund platzieren und, wenn nötig, mit einem zusätzlichen Blitz oder auch einer Taschenlampe dezent anleuchten.
Bild 10: Algensalat. Im Hintergrund stehen einige Gläser, deren Reflexionen schöne Unschärfekreise produzieren.
Noch ein Wort zur Unschärfe: Für eine optimale Kontrolle der Schärfe bzw. der Lage der Schärfeebene bieten sich auch ein sog. Tilt-Shift-Objektive an, und tatsächlich verwenden einige Food-Fotografen auch dieses Hilfsmittel (vgl. z.B. Miquel Gonzalez, http://www.gonzalezphoto.com).
Bei dem Gestaltungsmittel der Unschärfe ist übrigens Vorsicht geboten, wenn man den kleinen Schärfebereich in die Mitte oder ans Ende der Tiefenausdehnung legt: Manchmal funktioniert das, aber generell ist zu sagen, dass der menschliche Betrachter entsprechend der Wahrnehmung seines Sehsinnes einen scharfen Vordergrund vorzieht, bzw. dass ein unscharfer Vordergrund immer Gefahr läuft, unbewusst etwas störend zu wirken.
Bild 11: Zwetschgenkuchen auf dem Backblech. Ein Beispiel für einen unscharfem Vordergrund. Hier scheint es noch zu funktionieren bzw. zumindest nicht allzu zu störend zu wirken.
Kameramodus
Ein guter Start gelingt mit: ISO 100, Av-Modus (Vorgabe der Blende, automatische Berechnung der Belichtungszeit), Blende auf f/2.8, Dateiformat Raw. Wenn die Kamera weiterhin das Feature „Liveview“ anbietet, so sollte man dies auf jeden Fall einmal testen. Gerade in Verbindung mit einem Stativ bietet Liveview einen guten Eindruck von der Szene, eine gute Schärfentiefevorschau und vor allem auch gezoomt eine gute Unterstützung für das präzise manuelle Fokussieren! Noch ein Wort zum Weißabgleich: Beim Einsatz von Tageslicht um die Mittagszeit oder auch von Blitzlicht kann man mit ca. 5500 Kelvin Farbtemperatur rechnen. Hier funktioniert der Automatikmodus oder auch die Voreinstellung der Kamera auf Tageslicht normalerweise gut. Für problematischere Lichtverhältnisse und auch für Gerichte mit einem dominanten Farbton ist ein manueller Weißabgleich zu empfehlen. Im einfachsten Fall ist dies ein ins Bild gehaltenes Tempotaschentuch + Grauwertpipette im Raw-Konverter. Bessere Ergebnisse erzielt man mit einem speziellen Tool wie bspw. dem SpyderCube (vgl. auch den Workshop hierzu).
Strobist-Information
Der Profi verwendet professionelle High-Power-Studioblitze mit Lichtformern wie Softboxen, Grids oder Snoots. Der Amateur oder Semi-Profi kann sich aber auch mit den kleinen portablen Blitzen (Speedlights) und preiswerten Umbrellas und Styroporplatten als Lichtformern behelfen. Wichtig ist aber, die Blitze losgelöst bzw. entfesselt betreiben zu können – bei Einsatz des Blitzes auf der Kamera werden die Fotos flach und unansehnlich. Eine Möglichkeit ist ein Spiralkabel, eine weitere, nicht mal unbedingt teurere ist der Einsatz von Funkmodulen. Ein guter Start gelingt mit folgender Ausrüstung:
- 2..3 preiswerte Speedlights von eBay (z.B. Yongnuo, um die 40 Eur / St.)
- Funkansteuerung dazu (z.B.Yongnuo, 1x Sender, 3x Receiver, um die 50 Eur)
- Preiswerte Licht-Stative: zweckentfremdete Kamerastative (z.B. von Hama, ca. 15 Eur / St.)
- Zwei weiße Umbrellas, um die 20 Eur / St., bspw. bei eBay, „Durchlichtschirm“
- Zwei Schirmhalter, idealerweise jene von Manfrotto (MA 026 Lite-Tite, um die 30 Eur / St.)
- Auswahl an Styroporplatten verschiedener Größe, um die 1 Eur / St im Baumarkt
Bild 12: Kompletter Aufbau: Stativ + Manfrotto-Schirmhalter + Schirm + Yongnuo-Funkmodul + Yongnuo-Blitzlicht. Mit dem Manfrotto-Schirmhalter lässt sich das Blitzlicht genau zentrisch in die Schirmmitte einstellen (die zwei Messingeinsätze im Schirmhalter müssen hierzu getauscht werden).
Eine Anmerkung: Im „Sushi-Workshop“ wird ein alternatives, sehr kleines und portables, aber dennoch qualitativ überzeugendes Licht-Setup, fürs Restaurant oder für ein Essen bei Freunden vorgestellt.
Stativ
Beim Einsatz von Blitzlicht ist ein Kamerastativ nicht unbedingt erforderlich. Zumindest bei der Arbeit mit Tageslicht ist es aber dennoch sinnvoll. Tipp: Velbon Ultra Luxi L – ein preiswertes, leichtes und kleines Stativ, das aber dennoch keinerlei störendes Kriechen aufweist. Es liegt um die 130 Euro mitsamt Kopf. Sinnvollerweise verwendet man beim Einsatz eines Stativs auch einen Kabelfernauslöser (Anleitungen zum Selbstbau gibt es im Internet: „diy camera remote“ …), zur Not tut es aber auch der Selbstauslöser.
Bild 13: Aufbau mit Stativ vor dem Fernsehgerät als Hintergrund. Hier ist für ein akkurates, manuelles Fokussieren und für einen guten Eindruck von der Szene der Liveview-Modus nützlich.
Hintergründe
Wenn ein schöner Hintergrund wie eine Wiese, ein Wald, ein See (oder auch eine Fototapete) vorhanden ist, so sollte man diesen natürlich nutzen und noch erkennbar belassen. Wenn dies nicht der Fall ist, so gibt es die Möglichkeit, einen dezent-einfarbigen Hintergrund zu wählen und diesen unscharf einzustellen (in einfachsten Fall: Packpapier, einfarbiges Geschenkpapier oder auch eine helle Tagesdecke).
Oft zeigt auch ein Hellerwerden nach hinten eine gute Wirkung. Leicht möglich wird dies im Gegenlicht – bspw. vor einem Fenster oder vor einer Softbox (siehe auch das Bild der gedeckten Tafel in Teil I). Eine andere Möglichkeit, besonders flexible Hintergründe zu produzieren, wurde bereits im Workshop „TV statt Fototapete“ gezeigt.
In Part III des Workshops werden weiterführende Links, Websites und Literatur vorgestellt.
Danke für die super Tipps. Ich werde mir sicher das Equipment anschaffen.
Bei dem Schirmhalter war ich allerdings über den hohen Preis überrascht.
Hi Tobias, merci fürs Lob,
ja der Schirmhalter – der Manfrotto MA-026 – ist teuer 😦
aber noch teurer sind die Halter, die du zweimal kaufen musst 🙂
oder ich eher so dreimal … die billigeren gehen echt schnell kaputt!
lg
Tilo